Sobald man im Rentierzuchtgebiet in Schweden, Finnland oder Norwegen unterwegs ist, ist es meistens nur eine Frage der Zeit, bis man das erste Rentier entlang der Strecke sieht. Manchmal alleine, manchmal in Gruppen von bis zu zwanzig Tieren, wandern die Rentiere von Futterstelle zu Futterstelle. Da Rentiere wenig Scheu vor Menschen haben, lassen Sie sich von Autos oder Motorrädern kaum stören. Aber ganz nah ran kommt man dann eben doch nicht.
Hautnah kann man Rentiere im norwegisch-schwedischen Grenzgebiet erleben. Eine samische Familie bietet Besuchern, die an Rentieren und der traditionellen samischen Lebensweise als Rentierzüchter interessiert sind, ein ganz besonderes Erlebnis an: einen geführten Spaziergang mit Rentier! Man spaziert in Begleitung des Rentier-Führers durch die lappländische Landschaft und darf dabei ein Rentier an der Leine führen. In unserem Fall war das sogar ein Muttertier mit ihrem Rentier-Kalb. Das Kalb folgt von selbst. In unserer kleinen Gruppe durfte jeder Teilnehmer einmal das Muttertier führen - oder es zumindest probieren. Denn die Rentierkuh weiß ganz genau, wo es das leckerste Moos gibt. Dann kann es auch schon mal vorkommen, dass die Kuh mit dem Menschen Gassi geht - aber selten mehr als ein paar Meter, denn dann ist das nächste leckere Moos schon erreicht.
Dass Rentiere Nutztiere sind und nicht wild sind, sondern immer einen Besitzer haben, erklärt uns unser Guide während der Tour genauso, wie er uns erklärt, warum Rentiere beim Laufen Klickgeräusche machen. Da Rentiere Nutztiere sind, lernen wir eine Nutzungsform näher kennen, bzw. dürfen sie probieren. Rentierfleisch ist eines der wichtigsten Produkte neben dem Fell und dem Horn der Tiere. Zu Kaffee und Preiselbeersaft dürfen wir fünf verschiedene Arten der Zubereitung probieren: luftgetrocknetes und gesalzenes Fleisch, Salami, Zunge, luftgetrocknete Wurst und warm geräuchertes Herz. Am Anfang greifen die anderen eher nach Wurst und Luftgetrocknetem, aber nach etwas Zögern werden auch Zunge und Herz für sehr lecker befunden.
Am Ende des ungefähr zweistündigen Spaziergangs haben wir viel über Rentiere und deren Haltung gelernt. Zum Beispiel, dass Rentiere in Schweden nur von Sami gezüchtet werden dürfen und deren Zucht bis heute für viele Sami eine zentrale identitätsstiftende Funktion hat.
Wer auf den Geschmack gekommen ist, kann sich im kleinen Laden mit Rentierspezialitäten oder auch Rentierfellen eindecken. Die Fleischwaren werden vor Ort hergestellt und die Gerberei für die Felle ist auch nicht weit weg. Viel lokaler lässt sich kaum produzieren. Ganz zu schweigen vom Fehlen jeglicher Massentierhaltung in Ställen.
Wer nach dem Spaziergang Rentiere nur noch niedlicher findet und sie um keinen Preis essen möchte, hat so zumindest die Chance Rentiere aus nächster Nähe zu erleben.