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Mit dem Zug durch Norwegen

Wir stehen auf der Brücke über die Promenade und schauen auf das bunte Treiben unter uns. Fasziniert und ein bisschen belustigt beobachten wir die Karawane, die sich Fähnchen-schwenkend und mit Pauken und Trompeten langsam ihren Weg in unsere Richtung bahnt. Trachten mischen sich mit Kochmützen, Kellnerfliegen mit Putzanzügen, Overalls mit Offiziersuniformen. Ob gerade eigentlich noch irgendwer dieses Schiff steuert? Für uns ist es Zufall, die Fähre von Kiel nach Oslo am 17. Mai gebucht zu haben, für die Norweger ist es der wichtigste Feiertag des Jahres. Alle sind gekommen, um an der Parade teilzunehmen, einmal von vorne bis hinten über die Color Magic und wieder zurück. Den Abschluss bildet das gemeinsame Singen der Nationalhymne in der Show Lounge. Der Andrang ist enorm, als gute Nicht-Norweger verkrümeln wir uns aber lieber in die Observation Lounge. Hier ist es ausnahmsweise mal kein Problem, einen Tisch zu bekommen und wir bestellen Kuchen, der uns als „typisch norwegisch“ empfohlen wird. Er kommt mit Sahne, Marzipan und einem norwegischen Fähnchen.

Bei unserer Ankunft in Oslo scheint die Sonne aus heiterem Himmel. Es dauert keine zehn Minuten, da fallen die ersten Hüllen und wir kramen nach den Sonnenbrillen. Wäre es vielleicht doch besser gewesen, die Sonnencreme auch einzupacken? Mit einem zweiten Frühstück auf die Faust setzen wir uns an die Kaikante des Hafenbeckens und genießen die Sonne und den Ausblick auf das neue Munch Museum. Wenige Meter weiter genießen ein paar junge Frauen die Sonne im Bikini. Badesachen, unnötiger Ballast der bei uns besser zu Hause geblieben ist. Wir wollen schließlich auf die Lofoten.

Mit dem Zug geht es weiter von Oslo bis nach Trondheim. Die Strecke der Dovrebahn ist grandios und die Schaffnerin lässt es sich nicht nehmen, die Schönheiten ihres Landes links und rechts der Strecke für Touristen wie uns auch auf Englisch zu kommentieren. Endlich, in den Höhenlagen des Dovrefjells erspähen wir draußen noch reichlich Schnee - vielleicht haben wir ja doch nicht alles falsch gemacht. Dazu noch eine leckere Waffel mit Marmelade und saurer Sahne aus dem Bordrestaurant und die Einstimmung ist perfekt. Norden, here we come!

In touristisch belebten Städten ist es uns immer Vergnügen wie Herausforderung, die schönen Dinge abseits der ausgetretenen Pfade zu entdecken. Die Scharen des Kreuzfahrtschiffes, das über Nacht ganz plötzlich vor unserem Hotel festgemacht hat, schieben in Richtung Innenstadt, also zuckeln wir in eine andere. Eine riesige Eisenbahn-Klappbrücke liegt auf unserem Weg und wir bestaunen die raffinierte Technik dieses trägen Giganten. In der Nähe des berühmten Nidaros Domes finden wir einen Restaurator, der den mittelalterlichen Skulpturen in seinem Schaufenster coole verspiegelte Sonnenbrillen aufgesetzt hat. Im Tal des Nidelven grast ein Hängebauchschwein in einem Gartencafé, während die Hühner das Grün auf der anderen Straßenseite interessanter finden, und zu Abend gibt es für uns japanische Ramennudeln in einem stylischen Neubauviertel. Bei allem Respekt vor dem historischen Erbe diese Stadt sind wir ziemlich zufrieden mit unserem Programm. Kann man gut machen, dieses Trondheim, und war auch gar nicht so voll!

Wäre da nur nicht dieser leichte Sonnenbrand... Aber wir fahren ja weiter gen Norden, da wird es schon kühler werden. Bodø liegt gute 730 Zug-Kilometer entfernt, die Fahrt dorthin dauert etwa zehn Stunden - zehn Stunden! Eine verdammt lange Zeit, dass diese Verbindung überhaupt noch fährt, erscheint uns wie ein Wunder, denn die meisten Norweger räumen dieser Strecke deutlich weniger Zeit ein und nehmen den Flieger. Es ist ihnen nicht zu verdenken, wir aber genießen den Komfort des Zuges und das Programm vor dem Fenster. Höhepunkt ist die Fahrt über das schneebedeckte Saltfjell, ein kleines Schild heißt uns willkommen nördlich des Polarkreises.

Nach all der Sonne im „Süden“ ist Bodø im Regen ein harter Kontrast: Ein Hochhaus neben dem nächsten, darüber ein düsterer Himmel. Wir drehen eine Runde um den Hafen und lauschen den Quietschkonzerten der schwimmenden Pontons, dann gehen wir auf unser schönes Zimmer im 10. Stock und gucken den Schiffen beim Ein- und Auslaufen zu. Nachdem wir die letzten Tage gar nicht wussten, wo wir zuerst hingucken sollen, ist es zur Abwechslung tatsächlich mal ganz nett, nichts zu verpassen.

Mit dem Postschiff geht es hinüber auf die Inselgruppe der Lofoten. Was für ein Empfang: gegen den hellen Abendhimmel zeichnen sich die Berge der Inselkette wie ein Scherenschnitt ab, das unterhalb der Berge noch Orte liegen, kann man sich kaum vorstellen. Doch es gibt sie, seit vielen tausend Jahren sind die Inseln besiedelt. Man lebt vom Fischfang, und im Hafen von Svolvær herrscht auch zu späterer Stunde noch reger Betrieb. Dunkel wird es hier noch lange nicht.

Der nächste Tag kommt, und mit ihm brüllt wieder die Sonne vom Himmel. Jetzt ist Schluss, wir kaufen Sonnencreme. Im Inselsupermarkt, die einzige Sorte, für teures Geld. In der blauen Tube ist sie mindestens so weit gereist wie wir. Gemütlich sitzen wir auf der Terrasse des Hotels am Wasser und recken die Nasen gen Himmel. Eigentlich wollten wir die Inseln erkunden, aber kann es denn noch schöner werden? Es kann. In Henningsvær erwartet uns die lockere Atmosphäre eines hippen Fischerdörfchens, Ai Weiwei hält eine exklusive Ausstellung und es gibt experimentelle Eissorten zu verkosten. In Borg können wir einen Segeltörn mit einem Wikingerschiff machen, in Unstad finden wir ein Surferparadies. Und zwischendurch immer wieder dieses Panorama, weiße Sandstrände mit türkisem Wasser versprühen Karibik-Flair und laden zum Plantschen ein. Doch die Realprobe bestätigt unsere Packliste: richtig, dass die Badehose zu Hause geblieben ist.

An der Westküste ist ein Sturm aufgezogen, dass die kleinen vorgelagerten Inseln nur wenige Seemeilen weiter draußen inzwischen bereits vom Rest des Landes abgeschnitten sind, ist für uns kaum vorzustellen. Mit behäbiger Ruhe bahnt sich das Postschiff seinen Weg Richtung Süden. Auf dieser Etappe haben wir eine Kabine, und Zeit das Schiff zu erkunden. Auf dem Achterdeck finden wir einen Pool – ärgerlich, dass die Badehose zu Hause geblieben ist! Andererseits, wir sind im Urlaub, und der Bordshop ist gleich um die Ecke…

Bei leichtem Nieselregen sitzen wir im wohltemperierten Pool und lassen die norwegische Küste an uns vorbeiziehen. Im Kopf wird schon einmal eine Packliste für die nächste Tour korrigiert: egal wo es hingeht, Sonnencreme und Badesachen kommen auf jeden Fall mit.

Antonia Benthack