polygon--darkpolygon
avatar
Ansprechpartner
+49 - (0)4542-82 95 10
Telefonnummer:

+49 - (0)4542-82 95 10

E-Mail:

E-Mail schreiben

Bürozeiten:

Mo–Fr 10–17 Uhr

Reisebericht – Von Bari nach Bozen

Es sollte nur eine Rückreise aus Griechenland werden, doch weil wir keine Lust auf italienische Autobahnen hatten, wurde daraus ein Roadmovie quer durch die regionalen italienischen Befindlichkeiten.

Adria, lauer Abendwind vom Meer, das Blau des Himmels wird dunkler und dunkler, die Lichter des Ortes spiegeln sich im Meer. Nein, es ist nicht kühl. Es ist einfach nur wunderbar angenehm, mit Blick auf die Adria draußen zu sitzen, nach dem leckeren Essen noch den Rest aus der Weißweinflasche zu wringen und einfach so über das Meer zu schauen. Fischerboote kommen zurück. Wenn jetzt noch aus den Lautsprechern die "Caprifischer" dudeln...

Aber erstens ist das eine unerträgliche Schmonzette aus dem Plattenschrank meiner Großeltern und zweitens wäre das die "verkehrte" Seite von Italien. Wir sitzen in Vieste an der Adria, Capri liegt auf der anderen Seite des Stiefels vor Neapel im Meer. Wir aber befinden uns an der äußersten Spitze des "Sporns von Italien" an der Adria. 

Die ersten beiden Fahrtage in Süditalien hatten es in sich. Die Idee, auf der Rückreise von Griechenland noch etwas weiter durch Italien zu fahren begann mit einem Kulturschock: Von den tiefenentspannten Griechen mit ihrem  kreativen Umgang mit Verkehrsregeln auf der einen Seite der Adria zu den hektischen, hupenden, drängelnden Italienern im permanenten Straßenkampfmodus - das hat mich kurz mal gestresst. Raus aus der Fähre und rein in die morgendliche Rush Hour von Bari mit Bussen, Müllwagen. Umschwirrt von tausend Rollern frage ich mich und das Navi: Wo muss ich eigentlich hin? 

Vielleicht lief der Tag auch nur unglücklich. In Alberobello, wo wir uns die Trulli anschauen wollen, diese putzigen Rundhäuschen, fand offenbar eine große Veranstaltung statt. Absperrungen mit in Trillerpfeifen trötenden Carabinieri, Busse, die ihre Gäste ausschütten, Flatterband entlang der Straßen und kein Motorrad-Parkplatz in Sicht - lass uns bloß weiterfahren.

Der erste Abend in Matera war dann Entschädigung für den Fahrtag, der sich arg nach Transfer anfühlte, aber wenig Fahrvergnügen bot. Ein schönes Hotel, ein kurzer Fußweg in die Altstadt mit ihren historischen Höhlensiedlungen und ein wunderbarer Sommerabend über den Dächern von Matera stimmten mich versöhnlich.

 Nun also noch so ein süditalienischer Abend mit phantastischer Aussicht, gutem Essen und leckerem Wein. Wieso muss man dazwischen eigentlich noch Motorrad fahren?

Der folgende Tag gibt Antworten: Weil es auch im Süden Italiens ganz feine Motorradstrecken gibt! Wir verlassen die Küste und schlängeln uns hinauf in die Berge Richtung Campobasso, um dann auf der Höhe in Richtung Norden zu fahren. Es ist einsam hier, eine Bar für einen Expresso und einen Snack zu finden, stellt sich als ungewohnt schwierig heraus. Oder liegt es daran, dass Sonntag ist? Am Ende des Tages landen wir am Lago di Scanno, tausend Meter höher gelegen als das Quartier am Vortag. Ende Mai ist mehr als Vorsaison, ganze zwei Zimmer sind im Hotel belegt. Das nächste Restaurant befände sich im Dorf Scanno, vier Kilometer zurück bergauf, sagt der etwas verschlafene Rezeptionist. Zu Fuß sei nur eine Pizzeria zu erreichen - und sein Ton klingt nicht so, als würde er sie empfehlen.

Unbekannte Serpentinen im Dunklen nach dem Essen mit Wein? Keine gute Idee, wir wählen die Pizzeria zu Fuß. Und landen in einer großen Familienfeier als einzige fremde Gäste. Das pralle Leben mit der dazu gehörigen Lautstärke umtost uns! Die Pizza ist lecker, der Wein ist in Ordnung. Trotzdem ziehen wir uns zurück, nachdem wir aufgegessen haben, wir wollen nicht stören.

Der folgende Fahrtag beginnt mit einer spannenden Streckenführung durch eine enge Schlucht. Richtig am Kabel ziehen mag ich hier nicht, die Kurven sind nicht einsehbar, und die Straße ist nicht wirklich zweispurig. Und schauen will ich auch noch: wie der Bach sich halb neben, halb unter der Straße durch die Schlucht quetscht, wie die Felsen an einer Stelle über mir fast zusammenzustoßen scheinen, wie der Tunnel im rechten Winkel die Straße verschluckt und ebenso rechtwinklig wieder ausspuckt. Was für eine tolle Strecke!

Das Tal öffnet sich und sofort steigt die Zahl der Dörfer. Wir verlassen die besiedelte Ebene bei Popoli und nehmen die Strada Statale 17 in Richtung L'Aqulia. Das große Erdbeben von 2009 mit seinen schrecklichen Bildern ist mir im Gedächtnis haften geblieben. An dieser Stelle verläuft unter den Abruzzen ein tektonischer Bruch, der immer wieder zu schweren Erdbeben führt. Manchmal liegen 200 Jahre dazwischen, manchmal weniger. Aber wir wollen nicht in die Stadt, wir wollen nach oben - zur Hochebene des Campo Imperatore. Die kleine Straße schraubt sich über Döfer mit "sprechenden" Namen wie Castel del Monte in die Höhe. Auf den Geraden genieße ich die Fernsicht über das Tal. Schnell gewinnen wir an Höhe, die Straße, die wir eben noch da unten gefahren sind, ist nur noch ein Strich in der Landschaft. 

Eine Hochebene ohne Baum und Strauch erwartet uns. Dafür mit einem Motorrad-Treffpunkt? Jedenfalls stehen da vielleicht zwanzig, dreißig Motorräder in der Landschaft vor einem niedrigen Gebäude. Rauch steigt auf.  Wir parken neben den anderen Bikes und schauen uns um. 

"Ristoro Mucciante" steht auf dem Schild, davor Tische und Bänke und sehr schmale, aber umso längere Grills. Drinnen gibt es Käse, kleine, fertig vorbereitete Grillspieße mit Speck, Brot und Wasser zu kaufen. Ach so, wir sollen selbst grillen! Draußen schüttet schon ein Mitarbeiter Grillkohle in die langen Grills. Einfach drauflegen, ein wenig drehen und fertig ist der Grillspieß. Bei schönstem Sommerwetter sitzen wir auf 1500 Meter Höhe auf der kargen Hochebene, umgeben von hohen Bergen, und genießen das Essen. 

Aber es geht noch höher hinaus: Wir erreichen das Observatorium, das  auf 2144 Metern Höhe liegt. Eine Seilbahn führt ins Tal. An ihrem unteren Ende liegt ungefähr unser Hotel, wir könnten also... Aber es ist viel schöner, diese grandiose Sackgasse ganz in Ruhe wieder zurück zu fahren, um unser abendliches Quartier zu erreichen.

Die nächste Station der Tour liegt im Süden der Toskana. Ein heißer Tag, je tiefer wir in die Ebene kommen, umso wärmer wird es. Erst am Ende des Tages führt unsere Route wieder in die Höhe: den Monte Amiata hinauf zu Francesco und Enrico, mit denen wir schon seit 2005 arbeiten. Der erloschene Vulkan ragt markant aus der Südtoskana hervor. Der Berg ist bewaldet und wir fühlen uns schon ziemlich weit nördlich auf unserer Reise von Bari nach Bozen. Dabei ist es erst etwa die Mitte.

Ein freier Tag muss sein! Wir nutzen ihn für eine kurze Tagestour nach Pienza, einfach nur mal Kaffee trinken. All die schönen Dörfer auf dem Weg, viele mit einer großartigen Wein-Tradition. Bei der Toskana denken viele zuerst an Chianti-Weine, aber Chianti ist nur ein kleines Gebiet. Nächstes Mal kommen wir wieder mit dem Auto, damit wir Wein mitnehmen können.

Eine doppelte Tagesetappe ist in Italien keine gute Idee. Jedenfalls nicht, wenn es quer durch die Berge geht. Um nach Padua zu kommen, müssen wir ein letztes Mal den Apennin queren, dann die langweilige Po-Ebene. Padua war eigentlich nur als strategischer Stopp geplant, aber die Stadt entpuppt sich als anders: Die vielen Laubengänge rund um die Plätze erinnern an Bozen oder Städte in der Schweiz. Die Markthalle hängt voller Schinken, es sind viele junge Leute unterwegs. Schade, dass die Läden schon geschlossen haben. In einer Nebenstraße finden wir ein kleines Restaurant mit Tischen im Laubengang. Offenbar sind wir die einzigen Touristen unter lauter Einheimischen aus dem Viertel.

Unser letzter Tag in Italien wird noch einmal eine Herausforderung. Man sollte als Flachländer nicht an einem Wochenende über die Pässe fahren wollen, die auch die Einheimischen nutzen. Auf dem Passo Manghen fahren uns die Italiener um die Ohren. Wir sind müde von der langen Tour und atmen auf, als wir endlich im Tal sind. Nur noch im Tal nach Norden, bis Bozen erreicht ist. Ein Highlight hat der Tag aber noch zu bieten: den Spiraltunnel hinauf nach Jenesien oberhalb von Bozen. Toller Asphalt und eine Kurve, die nie enden will. Die Belohnung hat drei dicke B: einen schönen Balkon, ein großes Bier und einen sensationellen Blick auf die Dolomiten im Abendlicht - das haben wir uns verdient! Von hier aus sind es ja nur noch 1100 km bis nach Hause....

Ralf Schröder