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Schottland – Vergiss Loch Ness

Das fängt ja gut an

Der Morgen fängt gut an: Schon beim Einlaufen der Fähre in die Flussmündung des River Tyne blitzt die Sonne durch den leichten Nebel, der eben noch über der Küste lag. Das verspricht ein schöner Tag zu werden. Und dazu passt, dass die englische Einreise-kontrolle heute ausgesprochen freundlich ist. Sie wissen selbst, dass es nervt, den Helm absetzen zu müssen. Und dann das Getüdel mit Handschuhen, Ausweis und Helm. Da fehlt immer eine Hand. Jedenfalls nimmt es der Officer Björn nicht krumm, als er probiert, sein Häuschen mit dem linken Koffer der BMW abzuräumen. So ist das halt, wenn man sonst ohne Koffer fährt. Tock - die Alukiste nimmt den Rammstoß nicht übel und der Officer wünscht breit grinsend eine gute Fahrt

Schnell sind wir in der schottischen Idylle

Nachdem wir uns durch den Stadtverkehr von North Shields und Newcastle gearbeitet haben, wird die Strecke erstaunlich schnell hübsch. Felder sind von kleinen Steinmauern und Knicks gesäumt, eine typisch englische Landschaft. Rechts ist ein römisches Camp ausgeschildert, aber die ollen Römer hatten Probleme, die Stellung gegen die Schotten zu halten. Es dauert nicht lang und wir haben die Grenze zwischen Nordengland und Schottland erreicht. Auf der Karte steht die Höhenangabe 1379 - aber das sind keine Meter, sondern Fuß. Umgerechnet etwa 420 Höhenmeter. Ein Parkplatz mit Kaffeebude und ein großes Schild mit der schottischen Flagge. Dutzende Motorräder auf beiden Straßenseiten, Holländer, Engländer mit historischen Maschinen und auch ein paar Deutsche. Rechts und links Heidelandschaft, in der ein paar Schafe dekorativ grasen: Schottland, wir kommen.

Erste Strecken top – und das erste Hotel?

Aber wir sind nicht zum Spaß hier! Wir wollen Hotels und Routen testen, wie es bei Feelgood Reisen seit Jahren üblich ist. Passen die Tagesetappen? Sind die Zimmer in Ordnung? Dieses Mal haben wir uns nicht angekündigt, wir sind eingebucht wie ganz normale Gäste - und zahlen auch wie ganz normale Gäste.Aber es hat niemand gesagt, dass die Arbeit keinen Spaß machen darf. Die Kurven runter Richtung Hawick sind leer. Nördlich von Selkirk nutzen wir den ersten Single Track der Tour, der landschaftlich schön über eine Hochebene Richtung Peebles führt. Edinburgh umgehen wir auf der Autobahn, alles andere macht hier keinen Sinn. Am Nachmittag erreichen wir das erste Hotel, das wir testen wollen. Es liegt in Kenmore am Loch Tay, nicht weit von Aberfeldy. Die Rezeptionistin entschuldigt sich, dass wir leider nur im Pub zu Abend essen können, weil eine Hochzeitsgesellschaft das Restaurant in Beschlag genommen hat. Aber uns ist das nur recht: Das Essen im Pub ist prima, der Abend so lau, dass wir (Mitte September) noch draußen essen können. Und die Zimmer? Ausnahmsweise mal breite Betten, aber die Dusche im Bad muss man per Zugschalter von außen erst einschalten. Wer das nicht kennt, sucht länger nach Warmwasser. Zusammen gehen wir unsere Bewertungskriterien durch: Die Lage ist schön, das Ambiente toll, Bäder sind sauber und funktionell; die Standard-Zimmer sind groß, die Betten breit und gut. Notendurchschnitt 2 minus, einen kleinen Abzug gibt es für den Riss in der Badewanne. Gekauft. So werden wir in den kommenden Tagen Hotel für Hotel durchgehen. Aber da hier auch unsere Mitbewerber mitlesen, verzichten wir an dieser Stelle auf eine komplette Veröffentlichung unserer Testergebnisse. Sorry Kollegen, Ihr müsst Euren Job schon selbst machen.

Lieber in den Highlands fahren, als am Loch Ness abgezockt werden

In den Highlands ist die Dichte an Whisky Destillerien unglaublich hoch. Aberfeldy mit dem Besucherzentrum Dewar's World of Whisky liegt an unserem Weg, auch die kleine Destille Edra-dour bei Pitlochry würde ich gerne sehen. Aber es ist Sonntag. Leider geschlossen. So genießen wir die Landstraße durch die Heidelandschaft, passieren Balmoral Castle, wo die Queen ihren Sommerurlaub verbringt und fahren durch den Cairngorms Nationalpark. Das Wetter an diesem September-Wochenende ist so gut, dass mehr Motorräder als Autos unterwegs sind. Ich beneide die Schotten, die diese tollen Landstraßen als Hausstrecke mal eben so zwischendrin fahren können.Den Loch Ness lassen wir aus. Und das hat gute Gründe: Der Loch Ness ist nur ein See unter vielen in Schottland. Er ist weder schöner noch spektakulärer als alle anderen. Er ist durch die gute Zugänglichkeit nur über Jahrzehnte besser vermarktet worden. Alle kennen den Loch Ness und das Seeungeheuer Nessie - aber was kommt in der Praxis rum? Überhöhte Preise beim Eintritt in Urqu-hart Castle, überhöhte Preise in den Hotels bei schwachem Standard und ein Plastik-Seeungeheuer in einer Pfütze hinter dem Hotel in Drumnadrochit. Dazu viele Busse, Wohnmobile und Ausflügler auf der Straße, von der man nur an wenigen Stellen einen Blick auf den Loch Ness erhaschen kann. In die Touristenfalle sollen andere gehen.

Der Norden haut uns um – trotz Nieselregens

Wir halten uns nach Norden. Der Tag heute macht sich mit sehr tief hängenden Wolken wenig beliebt. Ist das nur eine feuchte Wolke oder schon Regen? Wir nutzen den Tag zu einer Besichtigung von Glenmorangie, die einen wunderbar weichen, runden Whisky herstellen. Getrunken habe ich ihn schon, aber in der Destillerie war ich noch nie. Auf der Führung sehen wir die höchsten Brennblasen Schottlands und die dunklen Warehouses, in denen die Whisky-Fässer lagern.Aber irgendwann müssen wir zurück in das nieselige Wetter. Gute hundert Kilometer fahren wir, dann bremse ich spontan für eine Mittagspause in einem kleinen Museumscafé am Straßenrand. Was für ein Unterschied zum Loch Ness: Wir werden freundlich begrüßt, es gibt Tee und Kaffee, dazu Scones oder eine heiße "soup of the day" - zu sehr moderaten Preisen. Sie haben nur sechs Tische und alle sind besetzt. Es ist warm und gemütlich. Das ist die schottische Gastfreundschaft, die ich so mag. Vorhin ist ein Bus links rangefahren - nur um uns vorbeizulassen! Das erlebt man am Loch Ness nicht - von Deutschland mal ganz zu schweigen. Nach einer Stunde Aufwärmen besteigen wir die Mopeds und überqueren die Hochebene nach Thurso. Rechts und links der Straße wird Torf gestochen, das ist gut zu erkennen. Aber sonst sehen wir kaum etwas, weil wir in der Wolke fahren. Bei Thurso reißt der Himmel auf und plötzlich ist unheimlich viel Verkehr. Uns kommen Ströme von Autos und Bussen entgegen, in unsere Fahrtrichtung ist aber nichts los. Das sieht aus, als sei gerade ein Champions-League-Spiel zuende gegangen. Unten am Meeresufer sehen wir den Grund: Neben dem stillgelegten Atomkraftwerk ist eine Basis der Royal Navy und ein großes Industriegebiet entstanden. Da war wohl gerade Feierabend oder Schichtwechsel. Kaum haben wir den Abzweig passiert, wird es wieder einsam. Für den Rest des Tages kommen uns vielleicht noch fünf Autos entgegen.Der Nordwesten Schottlands beglückt uns am folgenden Tag mit strahlendem Sonnenschein und einer der schönsten Küstenstraßen, die ich jemals gefahren bin. Sandstrände! Türkis-blaues Wasser! Steilküste! Kurven! Wir fahren keine fünf Minuten und das nächste Fotomotiv ist da. Kleiner Nachteil: Wir kommen überhaupt nicht voran vor lauter Fotostopps. Aber es gibt wirklich schlimmere Probleme. Mittag fällt aus, weil der Pub in Scourie um 14 Uhr schließt. Zu spät. Wir genehmigen uns noch einen Abstecher nach Lochinver und fahren auf allerkleinsten Straßen weiter gen Süden. Das Wetter bleibt uns auch die folgenden Tage treu, so dass wir Skye bei allerfeinstem Sonnenschein umrunden können.

Hinweisschilder lieber ernst nehmen – sonst wird es doch eine Flugreise

Wir lernen, dass man schottische Verkehrsschilder ernst nehmen sollte. "Severe dip" statt einfach nur "Dip" heißt, dass die Delle in der Straße etwas heftiger ist. Nacheinander schlagen die Federungen der Guzzi, der BMW und der KTM durch. Über den Sprechfunk kommt von hinten nur ein gequältes "Oaah". Aber genau das finde ich an Schottland so toll: Vor der einspurigen Brücke reicht das Wort "Slow". Der Vorteil der sparsamen Beschilderung in Schottland: Wir nehmen die Schilder ernst, denn sie stehen nur da, wo sie wirklich nötig sind. Und nicht einmal dort stehen sie immer: Auf der Insel Arran erwischen uns drei Kuppen hintereinander ohne Vorwarnung. Die erste geht noch, bei der zweiten haut es Björn aus dem Sattel, er steht auf der BMW und auf der dritten lernt die Guzzi fast das Fliegen. Hätte ich nicht gedacht, dass eine Stelvio so hoch kommt. Gleich nochmal fahren!

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